Vita > Biografie - Chronologie - Stammbaum - Claire Schlichting

“… Humor wurde bei uns in der Familie immer groß geschrieben, und darum haben wir es uns auch zu unserem Beruf gemacht, Menschen zum Lachen zu bringen …” (Rückseite, "Lach mit Jonny Buchardt”, Audio-Kassette, EMI, 1973)

Jonny Buchardt (1925-2001), mit bürgerlichem Namen Herbert Günther Schlichting, war eine prägende Gestalt der deutschen Nachkriegsunterhaltung. Seine Karriere umspannte u.a. Variété, Fernsehen und den Karneval, wobei er als Komiker, Conférencier und Schauspieler agierte.

Herkunft und frühe Bühnenerfahrungen (1925-1945)

Geboren am 16. September 1925 im heutigen Wuppertal, entstammte Buchardt einer Künstlerfamilie. Seine Mutter war die Komikerin Claire Schlichting (1905-1978), sein Vater der Komiker und Schauspieler Herbert Schlichting. Den Künstlernamen Buchardt übernahm er von seinem Stiefvater Erik Hansen, der auch als Erik Buchardt bekannt war. Hansen war Tänzer und Komiker und trat unter anderem mit seiner Schwester Ruth Buchardt im Tanzduett auf. Jonny Buchardt entschied sich für diesen Namen, um nicht den Eindruck zu erwecken, er würde mit dem bekannten Namen seiner Mutter Geschäfte machen. Der Name "Buchardt" wurde von Erik Hansen übernommen, da er internationaler als "Hansen" klang, eine Information, die Ben Becker in seinem Buch "Na und, ich tanze" festhielt.

Um 1940 formierte er mit seinem Stiefvater das Duo "Jonny & Erik Buchardt". Bereits 1941, im Alter von 16 Jahren, traten die beiden auf einer Variété-Bühne in Köln auf. Das Duo hatte damals ein Gastspiel im Burghof Variété Köln in der Hohestraße, wobei seine Mutter Claire Schlichting als Haupt-Act der Show fungierte. Ihre Darbietungen, die Gesang, Komik und Klavierspiel umfassten, zeichneten sich durch einen für die damalige Zeit in Deutschland unkonventionellen, amerikanisch wirkenden Stil aus, inklusive hochgestellter Hüte und enger Hosen.

1942 wurde seine Halbschwester Monika Hansen geboren, die später eine bekannte Schauspielerin wurde und den Schauspieler Otto Sander heiratete. Im selben Jahr siedelte die Familie – Claire Schlichting, Erik Hansen, Günther (Jonny) und Monika – nach Kopenhagen, Dänemark, über. Erik Hansen stammte aus Kopenhagen, Dänemark. Das Duo Jonny & Erik Buchardt setzte seine erfolgreiche Tourneetätigkeit fort mit Gastspielen im UFA-Palast in Hamburg (1942) und im Wintergarten in Wien (1943).

Nachkriegszeit, internationale Engagements und Stilentwicklung (1945-1955)

Nach dem Zweiten Weltkrieg traten Jonny Buchardt und sein Partner vorwiegend in von den Alliierten kontrollierten Gebieten auf, bespielten englische Clubs und nahmen an Tourneen teil. Die Anpassung an den englischen Humor fiel Buchardt aufgrund der dänischen Herkunft seines Stiefvaters und einer daraus resultierenden Affinität zur englischen Mentalität nicht schwer.

Ein signifikanter Karriereschritt ergab sich durch die Begegnung mit einem Londoner Agenten von der Agentur Bontons & Newport. Obwohl er ihre reguläre Vorstellung im Hamburger Garrison Theater verpasst hatte, organisierte man eine private Vorführung in einem Ballettsaal. Kurz darauf erhielten sie das Angebot für einen Jahresvertrag in Indien, unter der Bedingung, eine weibliche Künstlerin in die Nummer zu integrieren. Für dieses Engagement wurde Hannelore, die Tochter des Komikers Addi Münster, gewonnen.

Von 1949 bis 1950 gastierte das neu formierte "Buchardt Trio" (Hannelore, Jonny und Erik) im Taj Mahal Hotel in Mumbai. Während des bis 1952 andauernden Indienaufenthalts heiratete Jonny Buchardt eine Inderin. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland, motiviert durch den Wunsch, Schnee zu sehen, und das Heimweh zu seiner Mutter, holte er seine Frau nach Deutschland.

Die Reintegration in den deutschen Variété-Betrieb gestaltete sich anfangs als schwierig, da ihm die notwendigen Kontakte fehlten und sein Humor als stark amerikanisiert galt. Er arbeitete daher zunächst fast drei Jahre durchgehend in amerikanischen Clubs. Ein Theaterdirektor bot ihm schließlich die Möglichkeit, im Kaiserhof Theater in Köln ein Programm auf Deutsch anzusagen. Buchardt bestand darauf, seinen an amerikanischen Vorbildern orientierten Stil beizubehalten: kurze, prägnante Gags zwischen den Nummern und ein starkes eigenes Solo, anstelle ausgedehnter Moderationen – ein Ansatz, der als unkonventionell für das damalige deutsche Variété galt. Sein erstes deutsches Engagement hatte er im Femena Variété in Aachen, gefolgt von Auftritten im Vaterland Hamburg und im Astoria Bremen; zudem war er sechs Jahre lang jährlich zur Messezeit im GOP Variété in Hannover engagiert, auch wegen seiner Sprachkenntnisse.

In den 1950er Jahren entwickelte Buchardt seine Paradenummer, die "Gin-Nummer", die zu seinem Markenzeichen wurde und die er über Jahrzehnte hinweg aufführte. Er etablierte sich als ein Conférencier, der die Rolle des reinen Ansagers überschritt und selbst als komödiantischer Act agierte, wobei seine Gin-Nummer häufig den Abschluss seiner Solodarbietungen bildete.

Seine Auftritte in dieser Periode umfassten ein Solo-Gastspiel im Börse Nightclub in Zürich (1954) und einen Gastauftritt im Österreichischen Rundfunk in der Sendung "Weekend gut - alles gut" (1954). 1954 und 1955 folgten mehrmonatige Gastspiele im Moulin Rouge in Wien. Eine Rezension dieser Show von 1955 im New Yorker Fachblatt VARIETY attestierte, dass sein komödiantisches Material perfekt zu seiner Persönlichkeit passe und seine Witze über das Fernsehen ihm großen Applaus einbrächten.

Fernsehpräsenz und Bühnenerfolge (1955-1965)

Ab den späten 1950er Jahren erweiterte Jonny Buchardt sein Tätigkeitsfeld auf Film und Fernsehen. 1957 trat er in den ersten beiden Episoden der Personalityshow "Bonsoir, Kathrin!" mit Caterina Valente für den Süddeutschen Rundfunk (SDR) für die ARD auf. Im selben Jahr konstatierte das Programmheft des Variété Ronacher in Wien, wo er gastierte: "Sein Mundwerk ist umgekehrt proportional zu seiner Länge. Er massiert die Lachmuskeln und die Zwergfelle. Er karikiert ohne ein Wort - und er erhält donnernden Beifall. Er erledigt sich seiner Doppelaufgabe als Grotesk-Pantomimiker und Ansager in so souveräner Weise, daß das Publikum in Beifall ausbricht, wenn er nur die Nase durch den Vorhang steckt.".

Es entstanden drei Musikfilme bzw. TV-Shows an der Seite von Caterina Valente, darunter der Kinofilm "Und abends in die Scala" (1958) und der Fernsehfilm "Willkommen, Caterina!" (1960). Parallel dazu unternahm Buchardt eine dreimonatige Tournee mit Valente, die sie 1960 ins Kongresshaus Zürich führte. Ebenfalls 1960 wirkte er im Schlagerfilm "Marina" (Regie: Paul Martin) mit und absolvierte ein Sondergastspiel mit Zarah Leander im Georgspalast GOP in Hannover. Seine Zusammenarbeit mit Valente schloss auch die schweizerische TV-Produktion "Caterina Valente & Bibi Jones im Kongresshaus Zürich" (1960) ein.

Ein zweimonatiges Solo-Engagement bei der Bundesgartenschau in Dortmund im Jahr 1959 ist ihm durch einen Vorfall mit dem Komikerkollegen Willi Wiskott in Erinnerung geblieben. Wiskott, der gerne trank, habe eines Abends das Publikum im volltrunkenen Zustand derart beleidigt, dass ein Tumult entstand, und sich anschließend nur widerwillig und auf erneut provokante Weise "entschuldigt". Buchardt bemerkte, dass es ein altes Sprichwort im Showgeschäft gäbe: "Lieber n Freund verlieren, als eine Pointe. Alles fürn Gag.".

1961 realisierte der Hessische Rundfunk Buchardt’s einzige eigene Fernsehshow, "Ihnen bleibt nichts erspart. Die erste rein-deutsche Crazy-Show", für das Zweite Programm. Im selben Jahr fungierte er als Conférencier im Dancing Cabaret Mocambo in Bern und war Teil der schweizerischen TV-Produktion "Internationales Variété" für den SRG. Es folgten der Musikfilm "Café Oriental" (1962) und ein Gastspiel im Hotel Bouwes in Zandvoort, Niederlande (1962). Ein internationaler Auftritt war seine Teilnahme an der BBC-Show "The Good Old Days" im Jahr 1964, die in Leeds (UK) aufgezeichnet wurde.

Fortgesetzte Karriere, Karnevalsikone und späte Jahre (1965-2001)

Auch in den 1960er Jahren blieb Buchardt ein gefragter Conférencier und Solo-Künstler in Varieté-Shows. 1966 hatte er ein Solo-Gastspiel für den Zirkus Knie u.a. in Lyss, Schweiz. Eine mehrjährige Tätigkeit als Conférencier im Tivoli in Kopenhagen führte zu Begegnungen mit internationalen Stars; so kündigte er 1967 die Show von Sammy Davis Jr. an, 1968 die von Josephine Baker und The Mills Brothers und 1969 die von Nancy Wilson. Er pflegte eine enge Freundschaft mit Caterina Valente und beobachtete die Schattenseiten des Ruhms, wie den Verlust der Privatsphäre, was ihn in seinem Entschluss bestärkte, selbst kein großer Star werden zu wollen. Er definierte seinen beruflichen Anspruch damit, seine Arbeit zu tun, Geld zu verdienen und Freude daran zu haben, ohne das permanente Zittern um Erfolg oder Misserfolg.

Ein weiteres Gastspiel mit Zarah Leander führte ihn 1969 ins Linnanmäki Tivoli in Helsinki. Buchardt schilderte eine Episode, in der Leander nach einer umjubelten Vorstellung in Tränen ausbrach, weil er und seine Frau ihr nicht unmittelbar danach in der Garderobe ihre Anerkennung ausgesprochen hatten, was er als Ausdruck ihres Bedürfnisses nach stetiger Bestätigung interpretierte.

In den 1970er Jahren war Jonny Buchardt in Fernsehshows von Hildegard Knef ("Berlin-Geflüster", 1970, ZDF) und Rudi Carrell ("Die Rudi-Carrell-Show", Weihnachtsshow 1973, ARD; "Am laufenden Band", Folge 16, 1975, ARD ) zu sehen. 1973 erschien "Lach doch mal mit Jonny Buchardt" (Langspielplattem, Album) bei EMI Columbia.

Über Jahrzehnte hinweg war Buchardt eine feste Größe im Kölner Karneval und trat in zahlreichen Sitzungen im gesamten Rheinland auf. In Spitzenzeiten absolvierte er bis zu fünf Auftritte pro Tag. Er legte dabei nach eigenen Angaben mit dem Auto durchschnittlich 300.000 Kilometer pro Jahr zurück.

Ein bemerkenswerter und kontrovers diskutierter Vorfall seiner Karriere ereignete sich im Kölner Karneval 1973. Während eines Ruf-und-Antwort-Spiels animierte er das Publikum zum "Sieg Heil"-Ruf. Buchardt’s Reaktion darauf war gespieltes Entsetzen, gefolgt von dem Kommentar: „Das darf doch nicht wahr sein, Mensch. Jetzt weiss ich wenigstens wo sie sitzen.“. Diese Aktion, die Gelächter und Reflexion auslöste, thematisierte die Nachwirkungen der NS-Zeit und unterstrich Buchardt’s Fähigkeit, sensible Sujets komödiantisch zu verarbeiten.

Seine Fernsehauftritte setzten sich in den 1980er Jahren fort, unter anderem in den ZDF-Produktionen "Berliner Weiße mit Schuß" (Episoden: "Berliner Schnauze", 1984; "Gassi gehen", 1989) und "Teufels Großmutter" (Episode: "Der Tanz ums Moped", 1986). 1981 heiratete er die Schauspielerin Barbara Schöne. Aus dieser Ehe, die von 1981 bis 1991 bestand, ging der Sohn Florian Schlichting (geb. 1984) hervor. Die Scheidung erfolgte Anfang der Neunziger Jahre.

In den 1990er Jahren war er Gast in der TV-Show "Nur keine Hemmungen" (1992, ARD, mit Michael Schanze) und in zwei Episoden von "Hallo Heino" (1992, Sat1, mit Heino und Hannelore). 1997 widmete ihm das ZDF eine Dokumentation im Rahmen der Reihe "37 Grad" unter dem Titel "Jonny, der Heizer – Das verkaufte Lachen".

Jonny Buchardt verstarb am 8. Oktober 2001 im Alter von 76 Jahren in einem Krankenhaus in Siegburg (NRW). Seine Witwe ist Blanka Schlichting (geb. Jakob), eine ehemalige Tänzerin und Akrobatin. Zu seinem familiären Umfeld gehörten auch seine Neffen und Nichten Ben Becker (Sohn seiner Halbschwester Monika Hansen und Rolf Becker) und Meret Becker (Tochter von Monika Hansen und Rolf Becker), beide ebenfalls bekannte Schauspieler.

Persönliche Aspekte und künstlerische Auffassungen

Buchardt litt unter Flugangst und unternahm Fernreisen, beispielsweise nach Indien, per Schiff. Er war polyglott und sprach neben Deutsch auch fliessend Englisch, Französisch, Spanisch, Dänisch, Norwegisch und Schwedisch. Darüber hinaus beherrschte er diverse deutsche Dialekte, darunter Bayerisch, Kölsch, Sächsisch, Norddeutsch, Berlinerisch und Schwäbisch. Zu seinen Freizeitbeschäftigungen zählten das Sammeln von Briefmarken, Yachting und Angeln. Zeitweilig besaß er eine größere Motoryacht in Spanien, mit der er regelmäßig im Mittelmeer unterwegs war.

Er verstand seinen Beruf als eine Mission, Menschen Freude zu bereiten und zum Lachen zu bringen, was er als besonders wertvoll erachtete. Buchardt war der Überzeugung, dass das Variété eine Renaissance erleben könnte, da das Publikum der televisuellen "Konserven"-Unterhaltung überdrüssig sei. Die Atmosphäre einer Live-Veranstaltung sei durch das Fernsehen nicht reproduzierbar.

2025 wäre Jonny Buchardt’s 100. Geburtstag gewesen.